top of page

Eurasien: Im Visier der NATO


Vor gut 25 Jahren fand der Kalte Krieg sein Ende. Deutschland wurde wiedervereinigt und die Beziehungen zwischen Ost und West schienen sich zu normalisieren. Alles deutete auf Frieden hin. Doch der Schein trügt: Während der Warschauer Pakt auseinanderbrach, dehnt sich der einstige Gegenspieler NATO heute umso mehr Richtung Osten aus.


Die Euphorie war riesig als am 9. November 1989 die Mauer in Berlin fiel. Noch grösser war die Freude ein Jahr später bei der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Und wieder ein gutes Jahr später fiel die UdSSR auseinander. Damals dachte niemand daran, dass der Islam zum neuen Feindbild der Westmächte werden könnte. Ebenfalls hätte niemand geahnt, dass die NATO ihr Versprechen brechen würde und sich immer mehr bis vor die Grenzen Russlands ausdehnen würde. Doch, mal langsam! Spulen wir das Ganze noch einmal zurück. Was ist eigentlich die NATO? Was ist ihre Aufgabe? Was sind ihre Ziele? Und ist sie für die Zukunft überhaupt noch existenzberechtigt? Und wen hat das Atlantische Bündnis heute im Visier?

Gründung 1949, erste Erweiterungen und Aufgaben bis 1990

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Spannungen zwischen den Alliierten – USA, Grossbritannien und Frankreich gegenüber der Sowjetunion – vermehrt zunahmen, kam auch die Angst vor einer kommunistischen Invasion aus dem Osten. Die Berliner Blockade, die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe sowie die Gründung der Volksrepublik China unter Mao Zedong führten bei den Westmächten zu der Einstellung, dass eine militärische Bedrohung durch die UdSSR möglich wäre. Aus diesem Grund wurde zum Zweck der Selbstverteidigung am 4. April 1949 die «North Atlantic Treaty Organization» (NATO) von den zwölf Staaten USA, Grossbritannien, Frankreich, Kanada, Italien, Norwegen, Portugal, den BeNeLux-Staaten, Dänemark und Island gegründet, deren Sitz sich bis 1952 in Washington D.C. und von 1952 bis 1967 in Paris befand – von 1967 bis heute in Brüssel. Die NATO verfolgt die Aufgabe eines militärisch-politischen, aber auch ideologischen Verteidigungsbündnisses, das im Fall eines bewaffneten Angriffs auf eines der NATO-Mitgliedstaaten, die übrigen Mitgliedstaaten zur kollektiven Selbstverteidigung verpflichtet. Dazu gehört aber auch die Wahrung der westlichen Demokratie und liberalen Gesellschaftsform als ideologischen Aspekt. Im Laufe der Zeit traten mehr Staaten dem Bündnis bei: 1952 Griechenland und die Türkei, 1955 die Bundesrepublik Deutschland und 1982 Spanien. Während des Kalten Kriegs war die NATO das westliche Gegengewicht zum Warschauer Pakt und sorgte für die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten durch Abschreckung und Aufrüstung1. Diese wurden immer wieder angepasst, vor allem nach der Machtübernahme von Michail Gorbatschow 1985, der mit seiner Politik der «Perestroika» eine Annäherung an den Westen suchte. Nach dem Mauerfall 1989 begannen die Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag. Darin wurden u.a. die Übertragung des Staatsgebiets der DDR auf die BRD (und somit auch auf die NATO), der Abzug von sowjetischen Truppen, die Reduzierung der deutschen Truppenstärke sowie die Souveränität der Bundesrepublik festgelegt. Der Vertrag wurde im September 1990 in Moskau unterzeichnet2.

Ein kleiner Fehler mit fatalen Folgen: Erweiterungen bis heute

Beim Zwei-plus-Vier-Vertrag kam auch die Frage über eine Osterweiterung der NATO auf. Hans-Dietrich Genscher, damaliger Aussenminister der BRD, sagte vor laufender Kamera: «Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht bestehe, das NATO-Verteidigungsgebiet nach Osten auszudehnen. Das gilt im nicht nur im Bezug auf die DDR, sondern das gilt ganz generell» (siehe Video unten). Diese Aussage hielt die Sowjetunion für bare Münze – ein fataler Fehler. Hätte die Sowjetunion unter der Führung Gorbatschows eine schriftliche Zusicherung gefordert, hätte die Osterweiterung der NATO gar nicht stattfinden dürfen. Denn keine zehn Jahre später traten die ehemaligen Satelliten-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn 1999 der NATO bei. Fünf Jahre später folgten Bulgarien, die baltischen Staaten, Rumänien, die Slowakei und Slowenien und 2009 noch Albanien und Kroatien. Mittlerweile sind insgesamt 28 Staaten im Atlantischen Bündnis vertreten. Dem Beobachter wird nun auffallen, wie nahe sich die NATO nun bis an die Grenze der russischen Föderation bewegt. Als ob das nicht genug wäre, wird heute über einen möglichen Beitritt der Balkanstaaten, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie Mazedonien diskutiert. Schon seit längerem liebäugelt die NATO mit der Ukraine und Georgien, da diese Staaten sich geostrategisch an einem wichtigen Ort befinden. Das kuriose an der NATO ist, dass der Generalsekretär immer ein Europäer ist. Bis 2014 war es noch der Däne Anders Fogh Rasmussen, heute der Norweger Jens Stoltenberg. Der SACEUR (Supreme Allied Commanders Europe der Nordatlantikpakt-Organisation) hingegen befindet sich bis heute in US-amerikanischen Händen. Gegenwärtig ist es der US-General Philip M. Breedlove. Man kann also von einer Organisation sprechen, die von den USA gesteuert werden. Die Europäer spielen dabei die Rolle des Mitläufers...

Umstrittene Rolle der NATO

Die Rolle der NATO ist damals wie heute sehr umstritten. So manche Aktionen hätten in einen Dritten Weltkrieg münden können, wie beispielsweise die Stationierung von Atomraketen in der Türkei an der Südgrenze zur Sowjetunion ab 19593, was die Kubakrise zur Folge hatte. Ebenso 1983 als die sowjetische Führung einen atomaren Erstschlag durch die NATO mit «Able Archer» befürchtete. Es handelte sich jedoch um eine Kommandostabsübung der NATO, die einen Atomkrieg simulierte. Dank DDR-Kundschafter wie Rainer Rupp (Deckname «Topas»), die im Hauptquartier der NATO tätig waren, konnte die Sowjetunion beruhigt und eine atomare Katastrophe verhindert werden4. Genauso denkwürdig ist die Tatsache, dass während des Kalten Kriegs in ganz Westeuropa «Stay-Behind»-Armeen der NATO existierten. Wie der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser in seinem Buch «NATO-Geheimarmeen in Europa» schreibt, hatten diese «Schattenarmeen» - wie sie auch genannt werden – wie eine Medaille zwei Seiten: Einerseits sollten diese geheimen Widerstandsnetzwerke im Fall einer sowjetischen Invasion Sabotageakte und Partisanenkämpfe ausüben – wobei eine Invasion der Roten Armee niemals stattfand. Andererseits waren diese Geheimarmeen eine Quelle des Terrors. Dabei wurden demokratische Staaten in Westeuropa von innen her manipuliert, damit keine sozialistische oder gar kommunistische Regierung je an die Macht kam. Dies wurde erreicht, indem mit Terrorakten wie dem Bombenattentat in Bologna die Schuld den Kommunisten zugeschoben wurde und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt wurde5.

Out-of-Area-Einsätze und Einkreisung Russlands

Durch die Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes wäre die Existenzberechtigung der NATO eigentlich nicht mehr gegeben. Das Atlantische Bündnis musste einen neuen Weg suchen, um weiterhin tätig sein zu können. Mit «Out-of-area»-Einsätzen ist die NATO nun auch ausserhalb ihres Territoriums tätig. Probleme waren vorprogrammiert: Die Bombardierung der serbischen Hauptstadt Belgrad während des Kosovokriegs 1999 löste Kritik an der NATO aus, da diese a) ohne UN-Mandat und unter Missachtung des Völkerrechts durchgeführt wurden und b) auch kein NATO-Mitgliedstaat angegriffen wurden6. Später folgten Afghanistan und Irak nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 - wobei hier erstmals in der Geschichte der NATO-Bündnisfall eintrat. Durch den zunehmenden Drang nach Osten, sieht sich die Russische Föderation von der NATO als auch von der Europäischen Union regelrecht eingekreist. Man verweise auf die Worte von Zbigniew Brzezinski, der einst unter US-Präsident Jimmy Carter als Sicherheitsberater fungierte und auch heute die Aussenpolitik Barack Obamas beeinflusst: «Wie weit sollte sich die Europäische Union nach Osten erstrecken? Und sollten die Ostgrenzen der EU zugleich die östliche Frontlinie der NATO sein? Ersteres ist mehr eine europäische Entscheidung, wird sich aber unmittelbar auf eine NATO-Entscheidung auswirken. Diese allerdings betrifft auch die Vereinigten Staaten, und die Stimme der USA ist in der NATO noch immer massgebend. Da zunehmend Konsens darüber besteht, dass die Nationen Mitteleuropas sowohl in die EU als auch in die NATO aufgenommen werden sollten, richtet sich die Aufmerksamkeit auf den zukünftigen Status der baltischen Republiken und vielleicht bald auf den der Ukraine7.» Brzezinskis Buch «The Grand Chessboard» dient als geostrategischer Entwurf für die Aussenpolitik der USA. Gerade die Ukraine, die als wichtige Brücke zwischen Westeuropa und Russland dient, soll in naher Zukunft der NATO beitreten. Darum erstaunt es wenig, dass Russland dieses Vorgehen heftig kritisiert. Ist das flächenmässig grösste Land der Erde doch abhängig von guten Beziehungen zu den westeuropäischen Staaten. Das Ziel der USA ist klar: Mit der NATO die Einkesselung Russlands voranzutreiben, um das Land mit den vielen Bodenschätzen enorm zu schwächen und damit weiterhin unangefochten die Hegemonialmacht zu bleiben. Ob dies gelingt, wird sich zeigen. Die NATO dient dabei als Mittel zum Zweck. Dass damit der Frieden auf dem eurasischen Kontinent gefährdet ist, nimmt das Imperium auf der anderen Seite des Atlantiks in Kauf. Es liegt an uns Europäern, dieser Politik Einhalt zu gebieten und ein friedliches Zusammenleben mit Russland als wirtschaftlichem und sicherheitspolitischem Partner zu fördern.

Quellen:

1https://de.wikipedia.org/wiki/NATO

2http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Geschichte/ZweiPlusVier/ZweiPlusVier_node.html

3http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Kubakrise.html

4Bernd Fischer, Der Grosse Bruder – wie die Geheimdienste der DDR und der UdSSR zusammen arbeiteten, Edition Ost, Berlin, 2012, Seite 124 bis 126

5Daniele Ganser, NATO-Geheimarmeen – Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung, Orell Füssli Verlag, Zürch, 2008, 377ff.

6https://www.youtube.com/watch?v=d8kVavVWvfk

7Peter Scholl-Latour, Russland im Zangengriff – Putins Imperium zwischen NATO, China und Islam, Berlin, 2007, Seite 180ff.

bottom of page